"Neben dem Elternhaus und dem eigenem Zimmer ist die Schule der Ort der ersten prägenden Kindheits- und Jugenderinnerungen. Wir alle sind in meist mehrere Schulen gegangen und haben einen Großteil unserer Zeit in der Schule verbracht. Kaum eine andere Bauaufgabe ist so stark mit dem Selbsterlebten verknüpft wie der Schulbau.
Vor diesem Hintergrund ist die Architektur geradezu prädestiniert eine erinne- rungswürdige Atmosphäre zu erzeugen. Um sich zu erinnern ist es entscheidend, ob der architektonische Raum einen Charakter besitzt. Durch die sorgfältige Wahl der Elemente und deren sinnfälliges Zusammenfügen kann ein Entwurf atmosphärisch das leisten, was dem Betrachter in Erinnerung bleibt und ihn berührt.
Die konstruktive Beschaffenheit und das verwendete Material sind für die Stimmung prägend. Einen Raum nimmt man mit allen Sinnen wahr, man sieht ihn zu erst, dann hört und eventuell riecht man ihn und beim Betasten der Oberflächen kann man ihn auch direkt fühlen. Hier konzentrieren sich unsere Erinnerungen an die Schulzeit, Nebensächlichkeiten und Details, die für das Gesamtbild entscheidend sind.
Nur wenn Schulgebäude nicht nur als nur funktionale Gebäude für den Unter- richt, sondern als wichtige Aufgabe öffentlicher Baukultur verstanden werden, können sie dem Anspruch des „dritten Lehrers“ eines jeden Kindes gerecht werden.
Die Qualität der Gestaltung und der bauliche Zustand der Schulgebäude geben Aufschluss über den Stellenwert von Bildung und Erziehung in unserer Gesell- schaft. Gute und gleichwertige Chancen für Bildung und Erziehung zu schaffen gehört zu den wichtigsten Aufgaben einer Gesellschaft. Eine gut gestaltete Schule als lebenswerter Ort des Lernens ist dafür eine zentrale Voraussetzung."

Johannes Modersohn